Persönliche Texte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man lernt einen Menschen beim Essen kennen

 

 

 

 


Herr Kuzba hatte uns die Altstadt Warschaus gezeigt mit dem historischen Marktplatz und dem Museum für Stadtgeschichte. Geduldig beantwortete er unsere Fragen zu den ausgestellten Bildern und Gegenständen. Beharrlich stieg er mit uns Stufe um Stufe hinauf und auch wieder hinab. Es gab so circa eine Million, wenn ich mich recht erinnere. Als wir alle vor Hunger kaum mehr laufen konnten, sagte Herr Kuzba, er wisse genau den richtigen Ort, um etwas zu essen. Er brachte uns zu einer polnischen Milchbar, in der man preisgünstig polnische Gerichte bekommen konnte. Die Milchbar sah von außen ziemlich unscheinbar aus, und als wir drinnen waren, bestätigte sich unser Eindruck. Sie war klein, gut besucht und warm. Die zehn oder zwölf kleinen, wackeligen Holztischchen waren mit uns schnell besetzt. Die resolute Dame an der Kasse, die auch unsere Bestellungen aufnahm, sah sehr skeptisch aus.vor der Milchbar Sehr zu recht, wie sich dann herausstellte, denn sie sprach nur Polnisch und wir ausgerechnet das überhaupt nicht. Mithilfe von Herrn Kuzba, der alles geduldig übersetzte, hatte dann irgendwann jeder von uns einen Teller vor sich stehen. Nicht jeder hatte, was er wollte, aber schließlich konnte man ja gut tauschen, süße Nudeln gegen Kotelett mit Kraut, Rotkohl pur gegen Suppe. Herr Kuzba wurde von uns eingeladen, aber er hat sich, bescheiden wie er war, immer das billigste Essen ausgesucht. Auch in den folgenden Tagen sind wir immer wieder mit Herrn Kuzba essen gegangen. Einmal waren wir alle zusammen bei Kentucky Fried Chicken. Für Herrn Kuzba war es das erste Mal. Zuerst hat er sich gar nicht hineingetraut, aber als Anna und Isabel bemerkten, dass er noch draußen vor der Tür stand, haben sie ihn ganz schnell reingeholt und zum Essen eingeladen. Wir haben für ihn einen Chicken Wrap, Kaffee und zum Nachtisch Kuchen bestellt. Er war ganz überrascht, weil er nur Kaffee bestellt hatte. Die Verpackungen haben ihm einige Schwierigkeiten bereitet, und er hat sich total gefreut, als Anna ihm geholfen hat, sein Stück Kuchen aus dem Plastik zu befreien. Ich glaube, er hatte ´ne Menge Spaß. Frau Richert hat ihn dann gefragt, was er sonst so gerne ist und wer für ihn kocht. Er sagte, er koche selbst häufig Tütensuppen, in die er Gemüse schnippele, das er gerade so im Hause habe. Ansonsten esse er immer ganz normale Hausmannskost und besonders gerne chinesisch. Wir haben ihn zum Abschiedsessen zu uns ins Hotel eingeladenUnser letzter Abend. Er bekam viele Geschenke von uns, und wir bekamen viele Geschenke von ihm. Es war toll. Nebenbei hat Herr Kuzba immer von seinem Leben erzählt. Todesmarsch und Ziegelei zu Forelle und Schnitzel. Eine besondere Begebenheit verbinden wir erstaunlicherweise mit Mc Donald´s. Am letzten Tag waren wir morgens auf dem jüdischen Friedhof gewesen und wollten dann in der Stadt zu Mittag essen. Spontan schlug Herr Kuzba vor, zu Mc Donald´s zu gehen, und natürlich waren wir sofort einverstanden. Also brachte Herr Kuzba uns zu Mc Donald´s, und wir haben für ihn bestellt: Pommes und Chicken Mc Nuggets mit Sauce süß - sauer. Nachdem wir ihm die Nuggets aus der Tüte geholt hatten, aß er mit großem Vergnügen. Er hatte sichtlich Spaß und fühlte sich wohl. Uns ging es genauso. Aber auch dort sprach er immer wieder vom Leben im Lager und wie schrecklich es gewesen war. Unvorstellbar. Immer wieder schüttelt er einfach nur mit dem Kopf. Am Abend bei unserer Abreise erwartete Herr Kuzba uns wieder auf dem Bahnhof. Er hatte uns jede Menge süße Berliner und Äpfel Äpfel am Zugfür die lange Fahrt nach Hause mitgebracht, damit es uns gut gehe. Was für ein Mann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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